Interview Lisa Maria Potthoff

(Juli 2023 - München)

Zur Premiere von "Rehragout Rendevouz"

https://constantin.film/kino/rehragout-rendezvous

© Linda Rosa Saal

Bayerische Kultserien: Frau Potthoff, wären Sie lieber Bürgermeister von München oder lieber Bürgermeister von Berlin?

Lisa Maria Potthoff: Ui… (lacht und überlegt) Ich glaube von München. Berlin hat so viele Baustellen im realen und im übertragenen Sinne, dass ich nicht weiß, ob ich mir das zutrauen würde. Das wäre Entwicklungsarbeit, die mich wahrscheinlich an meine Grenzen bringt. Bei München habe ich eher das Gefühl einer guten Substanz. Da kann man sich doch nach dem Wiesnanstich eine gute Bürgermeisterzeit machen und ein bisschen hier und da repräsentieren. Natürlich tue ich dem Oberbürgermeister total unrecht, in dem ich das so sage. Aber ich hau das jetzt einfach mal so raus. (lacht)

B K: Oder dann doch lieber in der Provinz…

L M P: Oh ja, in einem kleinen süßen Dorf.

B K: Sie sind ja in Berlin geboren, in München aufgewachsen und dann wieder nach Berlin gezogen. Damit kennen Sie hauptsächlich die Großstädte unseres Landes. Trotzdem haben Sie mal gesagt, Sie lieben die Provinz. Warum?

L M P: Weil in der Provinz meistens auch sehr viel Natur ist. Ich mag es schon sehr gerne auf’s Land raus zu gehen. Gerade das bayerische Oberland und das Chiemgau. Das ist in Bayern schon etwas, wo bei mir ein irrsinniges Heimatgefühl aufkommt und Provinz für mich einfach etwas Positives bedeutet. Klar bin ich mit Anfang 20 nach Berlin gegangen, weil ich dachte, da tobt das Leben und man ist am Puls der Zeit. Aber ich stelle auch ganz oft fest, dass mir der Puls der Zeit oder das, was hipp und angesagt ist, ziemlich wurscht ist. Lieber BIN ich einfach. Das noch im Einklang mit der Natur, das ist schon das tolle an der Provinz.

B K: Glauben Sie die Susi Gmeinwieser wäre eine gute Bürgermeisterin, wenn man sie länger in dem Amt lassen würde?

L M P: Auf jeden Fall! Doch! Sie würde sicher auch mit ein paar Dingen scheitern, aber wer tut das nicht? Ich glaube schon, dass sie mit Engagement dabei wäre und absolut etwas aus ihrem Amt machen wollen würde. Ich könnte mir vorstellen, dass sie als Chefin auch nicht einfach ist und gerne ausgeführt haben will, was sie denkt. Das finde ich aber total legitim. Doch, sie wäre eine gute Bürgermeisterin.

B K: Würde sie sich in ihrer Art ändern?

L M P: Das habe ich ja ein bisschen angedeutet, dass es ihr vielleicht ein wenig zu Kopf steigt. (überlegt) Vielleicht tue ich ihr aber da auch unrecht. Sie ist eigentlich schon sehr geerdet. Als Simon Schwarz (alias Rudi Birkenberger) mal auf unsere Filmreihe angesprochen wurde, hat er mal gesagt: „Wir haben schon zu viele Demütigungen in unserem Leben erlebt, als das wir jetzt abheben würden.“ Ich will damit gar nicht sagen, dass ich oder die Susi im Film schon so viele Demütigungen hinnehmen mussten, aber das Leben zeigt, dass Erfolg etwas Vergängliches und Flüchtiges ist. Und eben nicht alles im Leben. Und so klug ist die Susi dann schon.

 

B K: Aber ihr Kleidungsstil würde sich weiter ändern.

L M P: Ja, man sieht sie ja in diesem Film mit Business-Anzug und einem anderen Kostüm. Ich musste mich ein bisschen daran gewöhnen. (lacht) Es macht auch eine andere Frau aus ihr und sie würde sich auch da wohl etwas weiterentwickeln.

B K: Haben Sie Mitspracherecht beim Outfit für die Susi?

L M P: Ja, auf jeden Fall. Ich bekomme nichts angezogen, bei dem ich mich unwohl fühlen würde. Das ist aber bei keinem Film so, weil ein kluger Regisseur oder Regisseurin nichts davon hat, eine Schauspielerin in etwas zu zwingen, in dem sie sich nicht wohl fühlt. Es sei denn, es ist ein genialer Schachzug für eine bestimmte Szene. Gab es aber bei mir noch nicht. Es bringt nichts, wenn ich einen wahnsinnig engen Rock anhabe, dann aber beim Schauspielen verkrampfen würde.

B K: Wobei Susi ja teilweise wirklich gewagte Outfits trägt…

L M P: Genau. Ich habe anfangs immer gesagt, dass ich sie so sehe. Es gab anfangs mal die Überlegung sie in manchen Punkten etwas vorteilhafter darzustellen. Allerdings habe ich mich dann gefragt, wo eine Susi einkaufen geht oder was ihr Vorbild ist. Eine Frau wie die Susi geht zum Shoppen nach Dingolfing oder Landshut in die Innenstadt, in Läden wie Pimkie oder Orsay. Natürlich ist das eine Form von Sexyness, die nicht meine ist. Vielleicht sollte sie die Jeans nicht so eng tragen und der pinkfarbene String muss auch nicht rausschauen, aber Susi denkt sich halt: „Mei, ich hab doch einen guten Hintern, den kann ich doch zeigen!“ Und damit hat sie ja auch recht. So sind wir das Konzept angegangen. Sie hat auch viel mehr Mut zu Farbe und Mustern als ich. Ich werde in meinem Leben kein Muster oder Farbkombinationen tragen. Ich hasse es. (lacht) Aber Susi findet es eben super.

 

B K: Das ist ja auch ihr Selbstbewusstsein. Helfen Ihnen die Outfits auch um in diese Rolle zu schlüpfen?

L M P: Absolut! Es ist aber generell so, dass ich mir viele Figuren tatsächlich über die Schuhe „erspiele“, weil ich finde der Stand eines Menschen macht mit dem ganzen Köper etwas. Ich habe z.B. bei dem Film „Schwere Jungs“, witzigerweise auch mit Sebastian und Simon, eine Frau gespielt, die immer auf Stilettos gelaufen ist. Das war ein 50er Jahre Film von Marcus H. Rosenmüller. Da hatte ich in jeder Szene, auch bei den Großaufnahmen, diese Schuhe an. Einfach weil das eine andere Körperlichkeit ist.

"Schwere Jungs" 2006

B K: Eine typische Frage wäre auch: Wie viel von Susi Gmeinwieser steckt in Lisa Maria Potthoff…

L M P: Oh, damit könnten Sie Sebastian Bezzel sehr sauer machen. (lacht) Diese Frage hassen wir Schauspieler. 

B K: Ich weiß. Deswegen auch „wäre“! Denn bei aller Sympathie für Susi Gmeinwieser, glaube ich jetzt mal nicht an so viele Gemeinsamkeiten…

L M P: Da täuscht man sich. Nehmen wir mal die Charaktereigenschaften, für die sie steht: Sie hat eine gewisse Stärke, es haut sie so schnell nichts um und ich glaube sie ist eine Löwenmama, die ihr Kind und sogar den Franz immer verteidigen wird. Egal wie bescheuert er manchmal ist. Aber wenn jemand ihnen was Böses will, steht sie hinter ihrer Familie wie eine Eins. Sie ist mutig und auf eine gewisse Art blitzgescheit, auch wenn sie nicht wahnsinnig gebildet sein mag. Da haben wir doch eigentlich schon ganz schön viel, was diese Frau super macht. Man kann sie nicht nur auf ihre liebevolle Zickigkeit reduzieren. Das allein wird ihr nicht gerecht.

B K: Und so gab es jetzt auf diese „blöde Frage“ doch irgendwie eine Antwort…

L M P: (lacht) Ja, stimmt.

B K: Wenn die Rita Falk in ihren Romanen über diese Figuren schreibt, dann hat sie ja mittlerweile immer Sie und das Ensemble im Kopf oder?

L M P: Ich meine, dass sie das mal gesagt hat, ja.

B K: Als vor 10 Jahren der erste Film „Dampfnudelblues“, der ja ursprünglich nur für das Fernsehen konzipiert war, in die Kinos kam, hätten Sie sich da vorstellen können, dass diese Reihe bis heute so große Erfolge feiern würde?

L M P: Nein. Null Komma Null. Es gab auch gar keinen Anlass damals darüber nachzudenken. Ich bekam die Einladung zu einem Casting für einen kleinen bayerischen Fernsehfilm. Zu einer kleinen Rolle mit drei Drehtagen. Eine Rolle namens „Susi“, die ich irgendwie ganz süß fand. Dass sich das daraus entwickelt, hätte ich nie geglaubt. Ich weiß auch nicht, ob die Susi jetzt die Rolle meines Lebens wird, aber es ist zumindest eine Figur, die man wahrscheinlich immer mit mir verbinden wird. Darauf reduzieren lassen würde ich mich jetzt, aber sie ist auf jeden Fall biografisch stark mit mir verwoben. Abzusehen war das alles auf jeden Fall nicht.

 

B K: Nicht mal, dass man damals gedacht hat: „Das könnte was großes werden“?

L M P: Gar nicht. Es war sogar so, dass ich das Drehbuch gelesen und alles rückblickend auch total unterschätzt habe. Ich fand das zwar nett, raffiniert und auch skurril, aber dass Ed (Herzog, der Regisseur) das so schwarzhumorig und teilweise abstrus inszenieren würde, war mir nicht klar. Ab und zu dachte ich mir, der hat sie nicht alle. (lacht) Ich weiß nicht mehr genau wann, aber es war auf jeden Fall einer der ersten Drehtage von „Dampfnudelblues“, wo Susi im Rathaus vorm Computer sitzt und eine Reise gewinnt. Im Drehbuch stand, dass sie sich zusammen mit ihrer Freundin freuen soll. (grinst) Und dann kommt dieser Regisseur, mit dem ich heute ja gut befreundet bin und meint: „Geh doch mal auf allen Viere und mache eine Polonaise auf den Knien“. (lacht) Ich darauf: „Ist das jetzt dein Ernst?“ – „Ja, mach mal!“. Wir haben das dann gemacht und ich dachte nur „Wo bin ich hier gelandet? Das ist geisteskrank.“ (lacht) Dass die Zuschauer das aber so wertschätzen, was von so positiv verrückten Leuten wie Rita Falk und Ed Herzog kommt, dass sie das erkennen und eine so gute Zeit mit den Filmen haben, hätte ich nie gedacht.

B K: Ist so eine Rolle dann vielleicht auch nicht nur Segen, sondern auch mal ein Fluch, weil die Gefahr besteht, dass man in eine bestimmte Schublade gesteckt wird?

L M P: In meinem Fall kann ich tatsächlich sagen, dass das definitiv kein Fluch ist. Ich weiß, was Sie meinen, und ich kann es mir vorstellen, aber für mich persönlich kann ich das nicht behaupten. Ich spiele u.a. die wortkarge Ermittlerin Sarah Kohr, werde jetzt im Herbst einen Film machen, wo ich eine Frau spiele, die keine Kinder kriegen kann und eine emotional ziemlich dramatische Geschichte entsteht. Letztes Jahr durfte ich in Budapest bei einer internationalen Produktion auf Englisch spielen. Ich bin nicht festgelegt auf die Susi. Es sprechen mich natürlich viele Leute darauf an, aber so positiv, dass es wirklich vermessen wäre zu sagen, das wäre ein „Fluch“. Dann müsste ich mich als Schauspielerin ja wirklich fragen, was ich eigentlich will.

B K: Sie haben tatsächlich viele andere Rollen, andere vielleicht nicht…

L M P: Absolut, deswegen kann ich das schon verstehen, dass es für manche ein Fluch sein kann festgelegt zu sein. Gerade zu Beginn meiner Karriere gab es unterschiedliche Ansichten, wo man mich verortet. Manche haben mich als Komödiantin gesehen und manche überhaupt nicht. Das hat mir vielleicht auch geholfen nicht festgelegt zu werden. Für mich sehr gut, weil ich so immer breit angelegt spielen konnte und es das ist, was ich an dem Beruf so toll finde. Ich würde nicht gern NUR die Susi spielen, aber es ist ein absoluter Segen im Spannungsfeld zu allem anderen, dass ich das tun darf.

B K: Vielseitigkeit ist Ihnen wichtig.

L M P: Das finde ich das Schönste an diesem Beruf. Dass kein Tag wie der andere ist und der Alltag nie Alltag ist, auch wenn das eine große Herausforderung ist. Man muss dabei auch auf sich acht geben, aber wenn man das kann und mental gesund ist, dann ist das ein Beruf, der weit mehr bringt, als nur Geld verdienen.

 

"Sarah Kohr"

B K: Wow, das finde ich eigentlich einen sehr schönen Abschluss. Trotzdem stelle ich wie immer die letzte Frage nach Ihren persönlichen bayerischen Lieblingsserien.

L M P: (überlegt) „Kir Royal“, „Monaco Franze“… (überlegt weiter) und den „Pumuckl“! Aber „Kir Royal“ habe ich wirklich geliebt.

B K: Mit „Bier Royal“ habe Sie ja zumindest einen ähnlichen Titel in Ihrer Vita.

L M P: Was man aber gar nicht vergleichen darf. An „Kir Royal“ kommt man nicht ran!

 

"Bier Royal" 2018

B K: Vielen Dank für das nette Gespräch.

L M P: Ich danke Ihnen sehr.

 

 
Haftungshinweis: Trotz sorgfältiger inhaltlicher Kontrolle übernehmen wir keine Haftung für die Inhalte externer Links. Für den Inhalt der verlinkten Seiten sind ausschließlich deren Betreiber verantwortlich.