Interview Gerhard Wittmann

(August 2023 - München)

Zur Premiere von "Rehragout Rendevouz"

https://constantin.film/kino/rehragout-rendezvous

© Luis Kuhn

Bayerische Kultserien: Herr Wittmann, „Rehragout Rendevouz“ ist die neunte Eberhofer-Verfilmung und gleichzeitig feiert die Reihe 10jähriges Kinojubiläum. 2013 gab es den ersten Film „Dampfnudelblues“. Die Drehs dazu, die jährlichen Premieren im Sommer, Kinotouren dazu, wird das irgendwann einmal zur Routine?

Gerhard Wittmann: Das wird es nie. In dem Moment, wo etwas zur Routine wird, ist es nicht mehr das, was es sein sollte. Genauso wie beim Theaterspielen, wenn man die 35. Vorstellung spielt. Wenn die Grundspannung nicht da wäre, dann würde ich es glaube ich sein lassen. Natürlich kennt man sich und weiß bestimmte Abläufe, aber zur Routine darf es nicht werden.

B K: Dieses Gefühl hatten Sie dann bisher scheinbar noch nicht.

G W: Nein, hatte ich nicht. Man freut sich über das alljährlich wiederkehrende Treffen. Ich sage immer, wir treffen uns in Niederbayern im Hotel, trinken ein Bier und Essen was und am nächsten Tag machen wir zusammen eine Familienaufstellung. (lacht) Klar ist es schön, dass bei uns das Kollegiale im Vordergrund steht und wir uns mögen und sympathisch sind. Das ist nicht immer der Fall bei Drehs. Aber Routine ist es keine.

B K: Wie kamen Sie zur Rolle vom Leopold und was mögen Sie daran?

G W: Die Rolle wurde von Franziska Aigner (Münchner Casting Direktorin) besetzt, die mir mal beim Filmfest gesagt hat: (Frau Aigner kommt aus Ludwigsburg und Herr Wittmann imitiert einen schwäbischen Dialekt) „I häd da was für Dich, da isch a Bruder in a Dings…desch wär was für dich.“ (lacht) Ich habe dann das Buch bekommen, gelesen und es hat mir gefallen. Damals war das als Fernsehfilm konzipiert. Da dachte ich nach dem Dreh, das war’s jetzt und fertig. Das es dann ins Kino kam und so ein großer Erfolg wurde, wusste man nicht. Die Rolle hat sich dann im Laufe der Jahre auch einfach dazu entwickelt.

 

B K: Sie mögen ja den „Leopold“.

G W: Ja klar.

B K: Er ist ja eigentlich immer so ein Gegenpart von Franz Eberhofer. Trotzdem hat er sich zu einem Publikumsliebling entwickelt.

G W: Man hat ja das dramatisierte Buch vor sich und macht sich dann seine Gedanken. Was aus der Rolle geworden ist, stammt aus der eigenen Fantasie und ist auch in der Zusammenarbeit mit den Kollegen entstanden. Das ist ein Entwicklungsprozess, bei dem man immer etwas von sich selber einbringt. So wie es ist bin ich sehr zufrieden. Und die Zuschauer scheinbar auch.

B K: Ist das vielleicht auch eine große Stärke dieser Filmreihe, dass man diese Figuren neben den bekannten Romanvorlagen auch noch mit entwickeln kann? In Verbindung mit der tollen Besetzung der Nebencharaktere?

G W: Mit Sicherheit. Es ist ein Verständnis untereinander da und auch ein Vertrauen zum Regisseur. Ein gutes Zusammenspiel von allen.

B K: Wissen Sie, ob Rita Falk mittlerweile auch Ihr Gesicht vor Augen hat, wenn sie in den neuen Romanen über den „Leopold“ schreibt?

G W: Das denke ich schon. Wir haben uns öfter mal getroffen und bei Premieren gesehen, deswegen glaube ich schon, dass sie mich gut kennt und beim Schreiben daran denkt.

B K: Wie ist die Gefahr einer bestimmten Schublade, in die man gesteckt werden könnte, wenn man eine Rolle so oft spielt.

G W: Ach wissen Sie, ich mache so viele verschiedene Sachen. Das neue Jahr geht meistens los mit meiner Rolle als „Dieter Reiter“ (Oberbürgermeister von München) beim Nockherberg. Dann bin ich in zwei Fernsehreihen beim ZDF beschäftigt. Einmal als ermittelnder Kriminaler (in der Reihe "München Laim") und bei "Der Kommissar und der See". Ich habe auch dieses Jahr auf Sylt für "Nord Nord Mord" gedreht, wo sie übrigens alle den "Eberhofer" kannten, was mich sehr verwundert hat. Ich meinte da "Ihr versteht das doch gar nicht." und sie meinten: "Nein, kein Wort, aber das ist Anarchie." (lacht)

B K: Apropos "Dialekt". Am Theater oder auch bei etlichen Fernsehrollen, spielen Sie ja auch auf hochdeutsch. Gefällt es Ihnen auch im Dialekt spielen zu können?

G W: Absolut. Dialekt ist das Bauchgefühl. Das ist das, wo ich herkomme. Emotionen, Gefühle und auch Sachen, die nicht gesprochen werden, das ist alles Dialekt.

B K: Würden Sie sich als heimtaverbundenen Menschen bezeichnen?

G W: (überlegt) Wenn es um den Humor mit Dialekt geht, dann ja. Ansonsten kann Heimat überall sein.

B K: Sie würden also auch woanders leben können.

G W: Ich war z.B. lange in Österreich engagiert. Das wäre also schon möglich und vorstellen könnte ich mir das jederzeit. Momentan ist es so wie es ist aber gut und allgemein ist es ja so, dass es sich in Bayern ja nicht am schlechtesten lebt.

B K: Ist es richtig, dass Ihnen Toni Berger einmal geraten hat: "Lern erstmal an g'scheidn Beruf!"

G W: Das ist richtig, ja. Ich war damals 13 oder 14 Jahre alt, kam aus einem 1300 Seelendorf und habe den Wunsch geäußert Schauspieler zu werden. Das ist dort natürlich auf völliges Unverständnis gestoßen. In einer Fernsehzeitschrift habe ich dann die Autogramm-Adresse von ihm gefunden und ihm mit meinem Füller einen Brief geschrieben, in dem ich ihm mitgeteilt habe, dass ich Schauspieler werden will. Nach einem dreiviertel Jahr kam ein Brief zurück, in einer Schrift, die ich nicht lesen konnte. Deshalb hab ich ihn mir von meinem Vater vorlesen lassen, der dann gleich meinte: "Da schau her, der sagt's dir auch!". Da stand dann drin "Lieber Gerhard, lerne zuerst einen Beruf, dann kann es nie schief gehen". Daraufhin habe ich tatsächlich den Beruf des Groß- und Außenhandelskaufmann ergriffen. (lacht) Viele Jahre später hat meine Frau zusammen mit dem Toni Berger ein Theaterstück zusammen gespielt, wo ich ihn in der Garderobe besucht und den Brief gezeigt habe. Wir haben dann ca. eine Stunde lang geredet und ausgetauscht.

B K: Da hatten Sie den Brief noch?

G W: Den habe ich heute noch. Der steht bei mir mit einem Bild von ihm auf dem Schreibtisch.

B K: Ihre Eltern waren damals wohl erstmal froh.

G W: Die haben sich gedacht, wenn ich erstmal den Kaufmannsberuf lerne, legt sich das und ich höre auf zu spinnen. (lacht)

B K: Was ja offensichtlich nicht so war...

G W: Nein, ich habe meine Ausbildung beendet und hatte auch gute Möglichkeiten in dem Betrieb auszusteigen, aber mein Wunsch war größer. Ich bin mit Sack und Pack nach München, habe an der Schauspielschule vorgesprochen und mir damit mehr oder weniger meinen Lebenstraum erfüllt.

B K: Was würden Sie denn jungen Leuten, die Schauspieler werden wollen, heute raten?

G W: (überlegt) Wenn man die Leidenschaft hat, es werden zu wollen, dann sollte man dem einfach nachgehen. Niemand, ich damals auch nicht, will hören wie schwer das ist. Natürlich haben viele gesagt: "Weißt du was dich da erwartet!", klar. Ich bin aber unbedarft an die Sache rangegangen. Da gab es noch kein Googel etc. Ich habe gesammelt, was ich über den Beruf finden konnte. In Zeitschriften, Zeitungen und so weiter. Da gibt es jetzt viele Möglichkeiten, was es aber glaube ich auch schwerer macht. Wenn aber jemanden die Leidenschaft dahin trägt, dann muss man ihr nachgehen. Was kann schon schief gehen.

© ZDF/Michael Marhoffer

B K: Gibt es neben Toni Berger noch andere Schauspieler, die Sie verehrt haben?

G W: Natürlich. Einer ist leider kürzlich verstorben. Peter Simonischek, mit dem ich sogar zwei Filme gedreht habe. Zusammen mit seinem Sohn Max mache ich die "München Laim"-Reihe. (überlegt weiter) Karl Obermayr. Ein Wahnsinns Schauspieler, der gestorben ist, als es eigentlich für ihn so richtig losging. Es gibt aber viele Darsteller, wo ich immer wieder feststelle, wie toll ihnen eine Rolle gelingt.

 

B K: Ihre erste Fernsehrolle war mit dem Film "Alle haben geschwiegen" (Fernsehfilm nach einem wahren Fall über die versuchte Vergewaltigung und Ermordung eine jungen Frau) ja gleich ein richtig schwerer Stoff. Wie ist das in so eine Charaktere zu schlüpfen?

G W: Ja, das war schon heftig. Ich bin damals frisch und frei rangegangen und hab es einfach gemacht. Damit hatte ich den Fuß in der Fernsehbranche. Aber meinen Kindern würde ich den Film heute noch nicht zeigen. Er ist schon sehr bedrückend.

B K: Ein Filmreihe wie die Serie mit Kriminalkommissar Hattinger ("Hattinger und die kalte Hand", "Hattinger und der Nebel"), bei der Sie auch im Ensemble waren, erfreute sich ebenfalls großer Beliebtheit.

G W: Es gibt immer noch Gespräche, ob es noch weitergeht. Aber da spielen viele Komponenten eine Rolle.

 

B K: Ihre längste durchgehende Rolle ist aber die des „Leopold“ bei den Eberhofer-Filmen, oder?

G W: Und die des Oberbürgermeisters beim Singspiel. (lacht)

B K: Wissen Sie wie Dieter Reiter Ihre Darstellung findet? Haben Sie mit ihm darüber gesprochen?

G W: Ich denke er ist da ganz glücklich und zufrieden. Und wenn nicht, dann würde er mich anlügen. (lacht) Der OB Reiter ist ja ein sehr pragmatischer Mensch, der ohne große Attitüde seinen Job macht. So sehe ich auch die Rolle. So wie heuer mal ab und zu aus dem Untergrund zu kommen und einen Kommentar abzugeben, ist eine ganz dankbare Sache. (grinst)

B K: Ist es schwer ihn zu spielen?

G W: Ja, sehr. Finde ich schon. Weil er wenig Eigenheiten hat, die man nachmachen kann. Das läuft dann über viel Anschauen, beobachten und Energie. Er ist sehr in sich gekehrt. Hätte er einen Sprachfehler wäre es einfacher. (lacht)

B K: Sein Vorgänger war wahrscheinlich einfacher zu kopieren.

G W: Ja, der hatte mehr Sendungsbewusstsein. (grinst)

B K: Herr Wittmann, ich muss jetzt einfach nachfragen, weil ich es irgendwo gelesen habe. Stimmt es, dass Ihr fußballerisches Herz für den HSV schlägt? Warum Hamburg?

G W: (holt tief Luft) Ansonsten bin ich für das Angenehme im Leben. Ja das ist richtig. Das ist was furchtbares. Es ist schlimm. Ich bin oft mit dem Jimmy Hartwig im Austausch und es macht mich fertig. Mitte der 1970er Jahre habe ich zusammen mit meinem Vater ein Europapokal der Pokalsieger Spiel gesehen. Da hat der HSV im Halbfinale bei Atletico Madrid 1:3 verloren, haben aber sehr gut gespielt. 14 Tage später war dann das Rückspiel, welches sie 3:0 gewonnen haben. Dann hab ich mir das Endspiel angeschaut. 2:0 Sieg gegen den RSC Anderlecht. Tore: Magath und Volkert. Seitdem hängt mein Herz am HSV und ist da geblieben. Aber sie machen es mir sehr schwer.

B K: Gibt es für Sie eine bayerische Serie, die Sie gerne immer wieder anschauen?

G W: Ach, wer liebt nicht "Münchner Geschichten", wo man alles daraus zitieren kann. Oder "Monaco Franze", mit dem vorhin erwähnten Karl Obermayr als Manni Kopfeck. Es kommt aber auch immer wieder etwas nach, was mir auch gut gefällt.

B K: Herr Wittmann, vielen Dank für die Zeit.

G W: Gerne.

 
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